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Der Auftritt der Volksinitiative im Abgeordnetenhaus

Am Donnerstag, dem 10. März fand die Anhörung der Volksinitiative im Schulausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses statt. Das Interesse daran war schon im Vorfeld groß und etwa 350 Menschen wollten sich als Besucher anmelden. Doch da das Abgeordnetenhaus nur 220 Plätze zur Verfügung stellte, konnten wir in den letzten 2 Tagen keine Anmeldungen mehr weiterleiten. Diejenigen, die eine Zusage bekommen hatten, bewegten sich ab 12.30 Uhr durch die Schleusen der Einlasskontrolle. Es war ein geselliges Treiben interessierter Bürgerinnen und Bürger, darunter auch Eltern, Schüler, Lehrer, Schulleiter und Mitarbeiter sozialer Einrichtungen. Sie wurden vom Besucherdienst des Abgeordnetenhauses in vier Räume auf unterschiedlichen Etagen geleitet, denn der Sitzungssaal fasste nur 70 Besucher und die Anhörung wurde mit Bild und Ton in drei weitere Räume übertragen.

Die Sitzung begann mit einer aktuellen Viertelstunde, die eine halbe Stunde dauerte, in der die Parlamentarier Fragen an die anwesende Staatssekretärin richteten. Dann begann die Anhörung und die Vertrauenspersonen bekamen das Wort auf der politischen Bühne des Abgeordnetenhauses. Im Laufe der Sitzung wirkten die Geschäftsordnung des Ausschusses und die Gepflogenheiten der Abgeordneten nicht immer Gesprächs- und Besucherfreundlich, z.B. die rigorosen Begrenzungen der Redezeit, die Unruhe und Unaufmerksamkeit seitens vieler Ausschussmitglieder oder das Untersagen von Beifallsbekundungen der anwesenden Besucher. Diese äußerten daraufhin ihre Zustimmung zu gelungenen Aussagen durch winkende Bewegungen der Hände. Auch die Vertrauenspersonen liesen sich nicht beirren und trugen in aller Ruhe und Ernsthaftigkeit die Forderungen der Volksinitiative vor und antworteten auf die Statements und Fragen der Ausschussmitglieder mit einer Fülle von Argumenten und Erfahrungen. Dabei wurden die grundsätzlichsten Fragen und Themen besprochen:

Laura Ehrich vom staatlichen John-Lennon-Gymnasium beschrieb das Klima der Angst, das durch die vorgegebenen Abschluß- und Zwischenprüfungen bei Schülern, Lehrern und Schulleitern entsteht. Sie plädierte für eine Lockerung der Prüfungsordnungen, so daß die Schulen neue Formen von Aufgabenstellungen und Feedback entwickeln können.

Henning Graner von der freien Netzwerkschule stellte daraufhin das Paradigma in Frage, nur ein Schulwesen mit einheitlichen Lehrplänen und einheitlichen Prüfungen sei gerecht, und folgerte: "Ein Schulwesen ist erst dann gerecht, wenn es jedem einzelnen Schüler in seiner Einzigartigkeit gerecht wird".

Kurt Wilhelmi vom OMNIBUS forderte, daß die Inhalte und die Qualitätsmaßstäbe der pädagogischen Arbeit den Schulen nicht mehr von außen, vom Staat vorgegeben werden. Vielmehr sollen die Lehrpläne und Prüfungsordnungen sich aus dem Schulwesen selbst heraus entwickeln können.

Der Künstler Johannes Stüttgen verdeutlichte, wie die gegenwärtig von den Kultusbehörden vorgeschriebenen Methoden der Qualitätsbeurteilung eher dazu führen, daß Kreativität und menschliche Energie vernichtet werden und wie es geradezu die Aufgabe der Schulen ist, Forschungsstätten für neue Qualitätskriterien zu sein.

Die Schulleiterin Marget Rasfeld forderte die gleichberechtigte Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft, weil die großen Aufgaben, vor denen die Menscheit steht, nur mit Initiativkraft und Eigenverantwortung gelöst werden können und die Schulen in freier Trägerschaft hierbei eine wichtige Aufgabe übernehmen können.

Auch die Abgeordneten gaben Beiträge, Statements und stellten Fragen, so daß es immer wieder auch Phasen gab, wo eine Verständigung und ein reger Austausch entstand: Wieviel Mehrausgaben entstehen durch die gleichberechtigte Finanzierung? Wenn es mehr Schulen in freier Trägerschaft gibt, besteht dann die Gefahr von Restschulen? Wie können die staatlichen Schulen mehr organisatorische Selbstständigkeit erhalten? Wie kann der Staat seine Aufgabe erfüllen und die Freiheit und Selbstverwaltung der Schulen garantieren und schützen? Wie kommen die Eltern mit der größeren Schulvielfalt zurecht? Wie könnten die kulturellen Standarts aussehen, die für alle Schulen gelten? Wie kann der Übergang von den Schulen zu den Hochschulen gestaltet werden? und vieles mehr wurde bewegt und besprochen.

Gegen 16 Uhr ging die Sitzung zuende und alles war gesagt. Die Vertrauenspersonen und die vielen Besucherinnen und Besucher hatten ganze Arbeit geleistet und alle waren belebt und überaus zufrieden. Wer wollte, traf sich unten im Eingangsbereich noch zu einem Austausch und einem gemeinsamen Foto.

Man wünscht sich öfter solche Debatten auf der öffentlichen Bühne des Berliner Parlaments. Müssen dafür erst wieder 29.000 Unterschriften gesammelt werden?